INSPIRATION: Schuldbewusstsein
Seit einigen Jahren erleben wir in Deutschland und der westlichen Welt eine Sensibilisierung und fast sogar eine Revolution des Verantwortungsbewusstseins, einhergehend mit dem Zeitalter der Bewusstseinserweiterung. Einerseits wird vielen Menschen immer mehr die eigene Verantwortung bewusst, andererseits gibt es einen Anstieg des Egoismus. Uns wird in vielerlei Hinsicht klar, dass es in unserer Verantwortung liegt über unser Leben zu bestimmen und unsere Zukunft aktiv selbst zu gestalten – mehr als je zuvor.
Gleichzeitig stelle ich fest, dass wir inzwischen immer mehr die Verantwortung für uns sowie für andere übernehmen – und dies völlig unabhängig, ob gefragt oder ungefragt. Nur wie schaut es andersherum aus? Wie viel Verantwortung übernehme ich für mich und wie viel Schuld gestehe ich mir ein? Denn oftmals ist Selbstkritik und das Eingestehen der eigenen Schuld nicht das Gleiche, wie Verantwortung zu übernehmen und häufig nach wie vor auf unterstem Level. Es ist viel leichter, anderen die Schuld für eigene Fehler zu geben, statt sich selbst klar zu sein: „Für diesen Mist, bin ich schuld.“ und sich somit die Verantwortung einzugestehen. Verantwortung und Schuld sind wie eine Medaille – es ist die Vorder- und die Rückseite und beides gehört zusammen.
Hervorgerufen wird das mangelnde Schuldbewusstsein durch den blinden Fleck sowie weiteren sogenannten Denkmustern oder gar Denkfehlern unserer Psyche. Denn wir haben immer noch nicht verstanden, dass im Verantwortungsbewusstsein ebenso die Verantwortung liegt, sich seiner eigenen Schuld bewusst zu sein und sich eigene Misserfolge einzugestehen.
Was verstehe ich unter Schuld (absichtlich/unabsichtlich + unbewusst/bewusst)?
– Es sind Fehler, die wir gemacht haben.
– Es sind Dinge, die wir gegen die Wand gefahren haben.
– Es sind Dinge, die wir getan und gesagt haben, jedoch nicht das bewirkten, was wir uns dabei erhofften.
– Es sind Dinge, die wir nicht getan oder gesagt haben, jedoch hätten tun und/oder sagen sollen/wollen/müssen.
Es gibt Situationen, da machen wir uns schuldig und jemand anderes übernimmt dafür die Verantwortung. In anderen Momenten machen wir uns schuldig, übernehmen die Verantwortung für unsere eigene Schuld und biegen es wieder gerade. Häufig neigen wir dann dazu, uns bei dem anderen zu entschuldigen. Dies ist jedoch nicht möglich. Wir können den anderen lediglich um Entschuldigung bitten. Viel wichtiger hingegen ist es, sich selbst gegenüber zu entschuldigen, also sich die Last der Schuld zu nehmen, Reue zu zeigen und Sühne zu betreiben. Dabei ist es völlig unabhängig, ob wir uns schuldig machen, indem wir etwas tun oder nicht tun. Oftmals machen und/oder sagen wir Dinge, die wir in dem Moment nicht besser wussten. Hinterher denken wir meist „ach, hätte ich doch mal…“ oder rechtfertigen uns vor uns selbst mit einem „Ja gut, ich wusste es in dem Moment einfach nicht besser.“. Dennoch bleiben sehr häufig Ärger und Wut zurück – über uns selbst oder andere. Hier gilt es, nicht in die Opferrolle zu verfallen, sondern sich einzugestehen, wer wahrhaftig schuld ist. Dies ist der erste Schritt, seine eigenen Fehler anzunehmen. Erst wenn wir wahrnehmen und anerkennen, dass wir in der Scheiße sitzen, können wir aus dieser raus kommen. Denn nur dann haben wir die Möglichkeit uns komplett zu reinigen. Ansonsten ist es wie ein Sturz in eine Pfütze, in der ich mich dreckig mache und dennoch behaupte, dass ich nicht dreckig bin. Erst wenn ich erkenne und anerkenne, dass ich mich dreckig (schuldig) gemacht habe, kann der Reinigungsprozess (die Ent-schuldigung) komplett vollzogen werden.
So lange wir bei der Entstehung der Fehler nur die Verantwortung übernehmen, um den Fehler wieder auszubügeln, ihn unter den Tisch zu kehren, ihn zu verstecken und zu verheimlichen, werden wir immer nur die Kraft der Verantwortung nutzen. Die andere Seite der Medaille, die Seite des Schuldbewusstseins, gibt uns Klarheit wann, wo, durch wen und durch was dieses Missgeschick entstanden ist -um Ziele zu erreichen und wahrhaftige Verantwortung zu übernehmen.
Verantwortung zu übernehmen bedeutet auch, sich die Schuld einzugestehen etwas getan oder unterlassen zu haben. Vor allem wenn wir offensichtlich nicht daran Schuld waren etwas getan oder nicht getan zu haben. Oftmals haben wir jedoch auch nichts dafür unternommen, um es präventiv vorzubeugen. Natürlich ist es einerseits wichtig zu schauen, wer den Fehler gemacht und was zu dem Fehler geführt hat. Um es allumfassend zu betrachten, sollten wir uns zudem fragen, warum und vor allem wofür dieser Fehler entstanden ist. Erst wenn wir all diese Fragen stellen, erreichen wir ein höchst kultiviertes possibilistisch-wohlwollendes Verantwortungsbewusstsein. Es ist wichtig sich Fehler und Schuld einzugestehen, um damit abzuschließen.
Mittlerweile ist eine Fehlerkultur nicht mehr nur innovativ, sondern spielt mehr und mehr eine wichtige Rolle in Unternehmen. Fehler sind erlaubt, wir lernen aus Fehlern und wachsen an und mit ihnen. Wenn wir es klar und radikal auf den Punkt bringen, geht es weniger um Fehler, sondern um das, was wir aus den Fehlern lernen und somit vor allem um die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für das, was zum Fehler geführt hat, für den Fehler selbst, für das, was wir aus dem Fehler machen, wie wir Fehler vorbeugen und annehmen. Es geht um das Wachstum der Menschen, die die Fehler verursachen. Im Grunde geht es um das Bewusstsein, dass Fehler im Leben geschehen sowie um das Verantwortungsbewusstsein, welches die Schuldkultur mit einbezieht.
Immer wieder ist das Phänomen zu beobachten, dass in Unternehmen eine gering entwickelte Fehler- und Verantwortungskultur herrscht. Es wird versucht Fehler zu vermeiden. Damit sinkt die Risikobereitschaft extrem in den Keller und die Mitarbeiter handeln übertrieben vorsichtig. Zudem werden Fehler vertuscht, verleugnet und kleingeredet. Damit können höhere Kosten entstehen im Gegensatz zu einer angenehmen, klar kommunizierten, transparenten und radikal gelebten Fehler- und Verantwortungskultur. Wenn der Mitarbeiter, das Team, die Führungskraft und das Unternehmen nicht nur Fehlermanagement betreiben, sondern tatsächlich Verantwortungskultur leben, ist das Kultivieren von Selbstvertrauen und einer sicheren Risikobereitschaft eher möglich. Dadurch kommen die Mitarbeiter mehr ins Verantwortungsbewusstsein und in ein selbstbestimmteres Denken und Arbeiten. Dies erzielt dementsprechende Ergebnisse und Erfolge. Vertuschen, Kleinreden, Schönreden, Verstecken und Leugnen rufen Schuldgefühle hervor. Wir können Fehler nur dann verzeihen, wenn wir uns die Schuld wirklich radikal eingestehen. Das ist wahre Sühne, welche wichtig ist, um sich und anderen vollkommen zu vergeben und die daraus resultierenden Erkenntnisse mitzunehmen. Alte Fehler und Missgeschicke über einen längeren Zeitraum mitzuschleppen, nagt an dem Gewissen sowie vor allem an dem Mut und der Risikobereitschaft. Es ist nicht ausreichend zu sagen: „Oh, das ist ein Problem. Okay, wie reagiere ich jetzt darauf?“. Wir benötigen wahrhaftig Motivation, Lust und Neugier alles daran zu setzen keine unnötigen Fehler zu machen oder bei Fehlern die Verantwortung zu 100 % zu übernehmen.
Unternehmen und Führungskräfte sollten…
- eine Fehler- und Verantwortungskultur kultivieren.
- nach Prinzipien statt nach Regeln und Gesetzen handeln.
- Verantwortungsbewusstsein und Risikobereitschaft fördern.
- dieses Bewusstsein radikal, respektvoll und eindeutig von der Bewerbung bis zur Verabschiedung integer und loyal ausleben.
Seien Sie klar, präzise und eindeutig, wenn es um Fehler und Missgeschicke geht. Es geht um 100 % Klarheit, 100 % Respekt und 100 % Bewusstsein.
An dieser Stelle teile ich drei meiner Grundprinzipien.
Erstens:
Wer scheiße entdeckt, muss sie weg machen.
Zweitens:
Wenn ich scheiße bei jemanden entdecke, der es selbst nicht sieht und ich dann sage: „Das ist nicht mein Thema.“, „Dafür werde ich nicht bezahlt.“, „Das ist nicht meine Aufgabe.“, mach ich mich schuldig. Vielleicht nicht rechtlich, jedoch moralisch.
Drittens:
Scheiße ist nicht, wenn scheiße passiert. Sondern scheiße ist, wenn scheiße passiert und ich nichts daraus mache.
Liebe Leser*in, mich interessieren Ihre Gedanken dazu. Was gefällt Ihnen, was nicht? Was sehen Sie kritisch? Welche ergänzenden Gedanken und Perspektiven haben Sie?
Ich freu mich auf Ihren Beitrag, Ihre Kommentare und Gedanken.
Mit klaren Grüßen.
Daniel Hoch
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